Hannoversche Allgemeine

January 2, 2022

Manoa: Anne Cartel and Carjez Gerretsen on wind instruments wandered around the hall, so that the sounds of the work, intended to be played barefoot, were incandescent.

Luftwurzeln in grüner Grotte: Das „Neue Ensemble“ in der Kestnergesellschaft 

Neujahrskonzert an einem ungewöhnlichen Ort: Das Neue Ensemble gastierte zusammen mit Kollegen vom „Ensemble Variances“ aus Rouen in der „grünen Grotte“, die der Schweizer Künstler Nicolas Party für die laufende Kestner-Ausstellung eingerichtet hat.

Grüner wird’s nicht: Das Neue Ensemble tritt mit dem Ensemble Variances in der Kestnergesellschaft auf.Quelle: Nancy Heusel

 

Eines ist beim Neujahrskonzert von Stephan Meiers Neuem Ensemble in der Kestnergesellschaft immer gleich: dass es immer anders ist. Auch jetzt sorgte das Ensemble für musikalische Frischluftzufuhr zum Jahresauftakt.

An ungewöhnlichem Ort, denn bespielt wurde die „grüne Grotte“, in die der Künstler Nicolas Party die große Kuppelhalle verwandelt hat. Und in ungewöhnlicher Besetzung, denn diesmal waren die Kollegen vom Ensemble Variances aus Rouen mit von der Partie. Dessen Leiter Thierry Pécou ist auch Komponist, deshalb bildeten seine Werke den Schwerpunkt des Programms.

Ein Pécou-Stück bildete den Höhepunkt der Matinee. „Manoa“ für Bassflöte, Bassklarinette und Cello blieb ebenso in Bewegung wie die Interpreten: Anne Cartel und Carjez Gerretsen an den Blasinstrumenten durchwanderten jedenfalls den Raum, sodass die Klänge des Werks, das offenkundig barfuß interpretiert werden soll, etwas Irrlichterndes bekamen.

Bei Steve Reich scheiden sich die Geister: Seine Minimal-Music-Phasenverschiebungen lösen bei manchen Zuhörern tranceartige Zustände aus, bei anderen eher Unruhe. Meier und Pécou verliehen Reichs „Piano Phase“ an zwei Flügeln den angemessenen Fluss. Damit es nicht zu gemütlich wurde, war mit den „Luftwurzeln“ von Carola Bauckholt auch eine geräuschhafte Komposition im Angebot.

Einen Standard gibt es bei diesen Neujahrskonzerten aber doch: eine Würdigung von Karl Valentin, der einst empfahl, ein klassisches Konzert aufzulockern und „zur Erholung des kleinen Mannes einen schönen Strauß-Walzer, Tölzer Schützenmarsch oder ein Glühwürmchen-Idyll“ einzuschieben. Das Neue Ensemble setzt noch eins drauf und tischt immer wieder Mauricio Kagels „Märsche, den Sieg zu verfehlen“ auf.

Jörg Worat

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